Wissenswertes zum Pfändungsschutz bei Selbstständigen
Kontopfändungen oder Pfändungen beim Auftraggeber führen von der Unternehmenskrise schnell in die Insolvenz. Doch es gibt Pfändungsschutz bei Selbstständigen. Diese können ihre Einkünfte teilweise vor Pfändung schützen und sich damit dem Zugriff der Gläubiger entziehen. Dabei wird zwischen wiederkehrendem Einkommen und einmaligen Vergütungen unterschieden.
Pfändungsschutz bei Selbstständigen bei wiederkehrendem Einkommen
Jede Art von Arbeitseinkommen unterliegt dem Pfändungsschutz. Neben dem üblichen Lohn, Betriebsrenten oder Bezügen und Pensionen bei Beamten sind auch alle sonstigen Vergütungen für Dienstleistungen (§ 850 Abs. 2 ZPO) erfasst. Ob die Leistungen körperlich oder geistiger Natur sind, aus einer selbstständigen oder abhängigen Beschäftigung stammen, ist irrelevant. Ein fortlaufend gezahlter Werklohn in einem ständigen Auftragsverhältnis gilt auch als Arbeitseinkommen (zum Beispiel beim Fotografen, Fuhrunternehmer, Briefverteiler, Redakteur, Dozent, Bewachungsunternehmer). Entscheidend ist, dass es sich um wiederkehrende Zahlungen handelt und sie die Existenzgrundlage des Schuldners bilden (auch bei „Scheinselbstständigen“).
Um einen Pfändungsschutz zu erreichen, soll die Pfändungstabelle zur Anwendung kommen. Dann sind Pfändungen nämlich nur unter Berücksichtigung des Pfändungsfreibetrags möglich. Grundlage für die Anwendung der Pfändungstabelle bildet das sogenannte bereinigte Nettoeinkommen. Dieses wird ermittelt, indem von den Gesamteinkünften Sozialversicherungsbeiträge oder Prämien für Privatversicherungen und Betriebsausgaben abgezogen werden. Das bereinigte Nettoeinkommen ist vor der Anwendung der Lohnpfändungstabelle zu berechnen und Aufgabe des Drittschuldners (ständiger Auftraggeber). Die Entscheidung über notwendige Betriebsausgaben kann der Drittschuldner allerdings nicht ohne weiteres selbst treffen. Erforderlich ist hierzu ein Antrag beim Vollstreckungsgericht (§ 850 f Abs. 1 Buchst. b ZPO).
Pfändungsschutz bei Selbstständigen bei einmaligen Vergütungen
Soweit keine Zahlungen in regelmäßigen Zeitabständen eingehen, sondern nur eine einmalige Vergütung bzw. Zahlungen von Fall zu Fall eingehen (zum Beispiel beim Arzt, Rechtsanwalt, Schriftsteller oder Makler), handelt es sich um keine wiederkehrenden Leistungen im Sinne des § 850 Abs. 2 ZPO. Auch hier besteht Pfändungsschutz bei Selbstständigen. Um in solchen Fällen die Vergütungen dem Pfändungsschutz zu unterstellen, muss der Schuldner einen Freigabeantrag beim zuständigen Vollstreckungsgericht stellen, § 850 i ZPO. Damit der Schuldner diesen Antrag stellen kann, bevor der Drittschuldner die Vergütungen an die Gläubiger leistet, gilt ein vierwöchiges Moratorium. Das bedeutet, dass der Drittschuldner erst nach Ablauf von vier Wochen an den Gläubiger leisten darf. Die Sperrfrist läuft ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Überweisungsbeschlusses.
Auf Grundlage des Freigabeantrags des Schuldners bestimmt das Vollstreckungsgericht die Höhe des pfändungsfreien Betrags. Auch hier gilt als Maßstab das bereinigte Nettoeinkommen. Daneben setzt das Gericht einen angemessenen Zeitraum fest, für den das Einkommen als Existenzgrundlage dienen muss. Das Gericht kann dem Schuldner bei entgegenstehenden Gläubigerinteressen auch weniger zusprechen, als ihm nach Pfändungstabelle eigentlich zusteht. Entgegenstehende Gläubigerinteressen bestehen zum Beispiel bei einer finanziellen Notlage des Gläubigers oder bei einem Schadensersatzanspruch aus einer unerlaubten Handlung.
Pfändungsschutz bei Selbstständigen durch Kontopfändungsschutz
Bei einer Kontopfändung eines Selbstständigen wird nicht nur das aktuell vorhandene Guthaben von den Gläubigern eingezogen. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (PfÜB) erfasst darüber hinaus auch das zukünftige Tagesguthaben und Überziehungskredite.
Ein Kontopfändungsschutz ist über die Einrichtung eines Pfändungsschutzkontos („P-Konto“) möglich. Sobald die Umwandlung vom Girokonto in ein P-Konto erfolgt ist, ist das Guthaben in Höhe des monatlichen Sockelfreibetrags geschützt. Es gilt jedoch: „nur ein P-Konto pro Person.“ Es ist also nicht möglich, dass ein Selbstständiger sowohl ein Privatkonto als auch ein Konto für geschäftliche Zahlungen als P-Konto führt.
Der Autor des Texts ist Rechtsanwalt und Schuldenberater aus Köln, mehr Infos unter: www.schuldnerberatung-erven.com.
Thomas Erven, Rechtsanwalt und Schuldnerberater in Köln
Marta Otreba, Studentin der Rechtswissenschaften an der Universität Köln
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