Arbeitszeiterfassung: Ländervergleich Deutschland – Schweiz
Arbeits- und Ruhezeiten werden in Deutschland durch das Arbeitszeitgesetz geregelt. In der Schweiz entspricht diesem das Arbeitsgesetz. Ein Vergleich offenbart wesentliche Unterschiede im Umgang mit Zeit und Arbeit und verschiedene Zielsetzungen der Gesetzgeber. Der Vergleich fokussiert auf die Arbeitszeiterfassung, weil diese ein Kernthema der jeweiligen Gesetzgebungen ist und immer wieder zum Zankapfel zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen gerät.
Arbeitszeiterfassung in der Schweiz
Art. 46 des Schweizer Arbeitsgesetzes (1) stellt fest, dass der Arbeitgeber die entsprechenden Verzeichnisse anlegen, führen und aufbewahren muss. Art. 73 der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (2) regelt, was aufgezeichnet werden muss, nämlich die geleistete (tägliche und wöchentliche) Arbeitszeit inkl. Ausgleichs- und Überzeitarbeit sowie ihre Lage und die Lage und Dauer der Pausen von einer halben Stunde und mehr.
Gemäss Arbeitsgesetz dürfen in der Schweiz Firmen bzw. Arbeitgeber nicht frei wählen, ob sie die Arbeitszeiten aufzeichnen. Wer sich nicht an die gesetzliche Erfassungspflicht hält, riskiert Bussen von bis zu 10’000 Franken. Das Schweizer Arbeitsgesetz versucht andererseits mit zahlreichen Ausnahmen Arbeitgebern so viel Gestaltungsspielräume einzuräumen wie möglich. Zu diesem Zweck differenziert es beispielsweise zwischen Überstunden und Überzeit und erwähnt ausser täglichen Höchstarbeitszeiten auch wöchentliche.
Arbeitszeiterfassung in Deutschland
Ganz anders in Deutschland. Das deutsche Arbeitszeitgesetz (3) verpflichtet Arbeitgeber in Art. 16 Abs. 2 lediglich zur Aufzeichnung der über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 Satz 1 hinausgehenden Arbeitszeit. Diese darf acht Stunden nicht überschreiten und «kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.» (§ 3 Satz 1) In der wissenschaftlichen Literatur wurde verschiedentlich darauf aufmerksam gemacht, dass eine Aufzeichnungspflicht, die erst bei einer Überschreitung der Acht-Stunden-Grenze einsetzt, nicht geeignet ist, eine Überwachung der Einhaltung des Durchschnittswertes von acht Stunden zu ermöglichen. Um die Einhaltung dieses Wertes überwachen zu können, müssten bereits bei einmaliger Überschreitung die Arbeitszeiten inklusive der Ausgleichszeiten vollständig aufgezeichnet werden. In der Praxis führt dies oft dazu, dass Arbeitgeber gar keine Arbeitszeitnachweise führen oder Überstunden nicht notiert werden.
Um solchen Mängeln und missbräuchlichen Praktiken beizukommen, wurde auf dem Umweg über das Mindestlohngesetz (4), gültig seit 1. Januar 2015, in Deutschland doch noch eine vollständige Aufzeichnungspflicht eingeführt, welche Arbeitgeber «verpflichtet, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit (…) aufzuzeichnen.» (Vgl. §17 Abs. 2 Mindestlohngesetz). Jedoch gilt diese Regelung nur für Niedrigverdienende mit einem Monatslohn von weniger als 450 Euro im Monat nach Par. 8 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (5) bzw. für die in Par. 2a des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes (6) erwähnten neun Branchen. Lage und Dauer der einzelnen Pausen muss im Gegensatz zur Schweiz auch nicht erfasst werden.
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Einkommen und Aufzeichnungspflicht
In beiden Ländern ist die Aufzeichnungspflicht an bestimmte Einkommensgrenzen geknüpft. Die deutsche Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (7), MiLoDokV, vom 29.07.2015 regelt und konkretisiert die Dokumentationspflichten nach den Paragraphen 16 und 17 des deutschen Mindestlohngesetzes. Gemäss MiLoDokV liegt die Einkommensgrenze, bis zu der die Arbeitszeit täglich vollständig mit Beginn, Ende und Dauer erfasst werden muss, inzwischen weit über den Anforderungen gemäss Sozialgesetzbuch, nämlich bei 2958 Euro brutto monatlich bzw. bei 2000 Euro brutto monatlich, wenn der Arbeitgeber dieses Monatsentgelt für die letzten vollen zwölf Monate nachweislich gezahlt hat. Für Einkommen, die darüber liegen, entfällt die vollständige Arbeitszeiterfassung bzw. gilt weiterhin Art. 16 des Arbeitszeitgesetzes. Da in Deutschland die Zollbehörden (8) die Einhaltung der Aufzeichnungspflicht überwachen, informieren diese ebenfalls ausführlich zu diesem Thema.
Der Schweizer Gesetzgeber, der im Grundsatz ja bereits sehr weitreichende Anforderungen an die Arbeitszeitaufzeichnung machte, lockerte dagegen die Bestimmungen und erlaubt seit 1. Januar 2016 sowohl den Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung als auch die vereinfachte Arbeitszeiterfassung. Auf die Arbeitszeiterfassung verzichten dürfen nach Art. 73a Verordnung 1 Arbeitsgesetz alle Arbeitnehmer, die grosse Autonomie bei ihrer Arbeit und ihren Arbeitszeiten besitzen und bei einem 100%-Pensum «über ein Bruttojahreseinkommen, einschliesslich Boni, von mehr als 120 000 Franken verfügen». Für diese entfallen dann auch «die nach Gesetz geschuldeten Lohn- und/oder Zeitzuschläge». Die Möglichkeit zur vereinfachten Arbeitszeiterfassung haben nach Art. 73b Verordnung 1 Arbeitsgesetz alle Arbeitnehmer, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil selber festsetzen können. Sie müssen einzig die geleistete tägliche Arbeitszeit erfassen. Nur bei Nacht- und Sonntagsarbeit sind zusätzlich Anfang und Ende der Arbeitseinsätze zu dokumentieren.
Fazit
Der Vergleich macht deutlich, dass in der Schweiz prozentual mehr Arbeitnehmer ihre Arbeitszeiten erfassen müssen. Es herrschen geradezu umgekehrte Verhältnisse: Während in der Schweiz nur das obere Einkommenszehntel von der Arbeitszeiterfassung gänzlich ausgenommen ist, muss in Deutschland nur ca. das untere Drittel seine Arbeitszeiten ähnlich vollständig erfassen wie in der Schweiz.
Das Schweizer Arbeitsgesetz ist mit 74 Gesetzesartikeln nicht nur etwa doppelt so lang wie das deutsche Arbeitszeitgesetz. Ihm beigeordnet sind ausserdem fünf ebenso langatmige Gesetzestexte auf Verordnungsebene. Es ist eine schwer verständliche Ansammlung aus Vorschriften, Ausnahmen und Ausnahmen von Ausnahmen. Andererseits kommt es dank seiner Flexibilität Arbeitgebern entgegen. Arbeitgeberverbände in Deutschland wünschen sich beispielsweise schon lange, dass das Arbeitszeitgesetz von einer täglichen auf eine wöchentliche Höchstarbeitszeit umgestellt wird. Das ist in der Schweiz schon länger der Fall. Die Anbindung der Arbeitszeiterfassung an ein Mindestlohngesetz bzw. feste Mindestlöhne ist eine weitere Spezialität Deutschlands, welche in der Schweiz nicht existiert.
Es verwundert nicht, dass so viel normative Komplexität in der Schweiz hochspezialisierte Unternehmen hervorgebracht hat, die sich ausschliesslich mit Arbeitszeiterfassung befassen. Die Ansprüche an Software zur Aufzeichnung von Arbeitszeit sind im Alpenland mindestens so hoch wie seine Berge. Denn diese muss vielseitig nutzbar und extrem flexibel sein. Ideal ist der Einsatz einer Software überall dort, wo sie zugleich als Produktivitätstool gebraucht wird und neben Arbeitszeiten auch Leistungen erfasst werden.
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Fußnoten:
- Arbeitsgesetz (ArG): https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19640049/index.html
- ArGV 1: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/20000832/index.html
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG): https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg
- Mindestlohngesetz (MiLoG): http://www.gesetze-im-internet.de/milog/index.html
- Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV): http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_4/
- Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz SchwarzArbG: https://www.gesetze-im-internet.de/schwarzarbg_2004
- Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV): https://www.gesetze-im-internet.de/milodokv_2015/BJNR621200015.html
- Generalzolldirektion «Führung von Arbeitszeitnachweisen»: https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit/Mindestarbeitsbedingungen/Sonstige-Pflichten/sonstige-pflichten_node.html
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